ESG zwischen Pflicht, Freiwilligkeit und Strategie
Das Jahr 2025 markiert einen Wendepunkt in der Landschaft der ESG-Berichterstattung. Die EU hat mit dem sogenannten "Omnibus-Paket" im März 2025 weitreichende Anpassungen an der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) beschlossen. Besonders betroffen sind kleine und mittelständische Unternehmen: Viele von ihnen sind nun formal von der Berichterstattungspflicht ausgenommen. Doch was bedeutet das in der Praxis? Und wie navigiert man als Unternehmen – zwischen regulatorischem Druck, Stakeholder-Erwartungen und Wettbewerbsvorteilen – durch den Dschungel aus ESRS, GRI, IFRS S1/S2, TNFD, CDP, EcoVadis, S&P Global CSA und B Corp?
Dieser Beitrag bietet einen strukturierten Überblick, stellt Unterschiede zwischen gesetzlichen, freiwilligen und bewertungsbasierten Standards heraus – und gibt fundierte Handlungsempfehlungen insbesondere für den deutschen Mittelstand.
Einordnung: Unterschiede von Gesetzliche Pflichten, freiwillige Rahmenwerken und ESG-Ratings
Im ESG-Universum lassen sich drei Gruppen unterscheiden:
- Pflichtstandards: Insbesondere die ESRS, die Teil der CSRD sind. Sie gelten für große Unternehmen und kapitalmarktorientierte KMU in der EU – aktuell für Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden, bald womöglich nur noch ab 1.000 Mitarbeitenden (Omnibus).
- Freiwillige Rahmenwerke: Etwa GRI, IFRS S1/S2 oder TNFD. Sie dienen der Standardisierung, bieten globale Anschlussfähigkeit und helfen Unternehmen, auch ohne gesetzliche Verpflichtung ESG-relevante Themen strukturiert offenzulegen.
- Bewertungssysteme & Ratings: CDP, EcoVadis, S&P Global CSA oder B Corp messen die ESG-Leistung auf Basis standardisierter Fragebögen und Vergleichsmetriken – wichtig vor allem für Kunden, Investoren und Geschäftspartner.
Die wichtigsten Standards & Rahmenwerke im Überblick (inkl. Updates 2025)
Standard/initiative |
Pflicht / Freiwillig / Rating |
Berichtsfrequenz |
Relevante Stakeholdergruppen |
ESRS | Pflicht (CSRD) | Annually | EU-Kommission, Investoren, Kunden |
VSME | Freiwillig | Annually | Kunden, Banken, Lieferanten |
IFRS S1/S2 | Freiwillig / Marktgetrieben | Annually | Investoren, Kapitalmärkte |
TCFD | Freiwillig (abgelöst) | Einmalig / jährlich | Investoren, Banken |
GRI | Freiwillig | Annually | Stakeholder, NGOs, Öffentlichkeit |
DNK | Freiwillig | Annually | Öffentliche Hand, Kommunen |
TNFD | Freiwillig | Annually | Investoren, Umweltverbände |
CDP | Rating (Anfragebasiert) | Annually | Investoren, Kunden |
EcoVadis | Rating (Kundennachfrage) | 2 Monate nach Anfrage | Kunden, Einkaufsabteilungen |
B Corp | Zertifizierung | Alle 3 Jahre | Mitarbeitende, Kunden, Investoren |
S&P Global CSA | Rating | 2-monatige Fenster | Ratingagenturen, Investoren |
Deep Dive: Bedeutung für den deutschen Mittelstand
Für mittelständische Unternehmen ergeben sich 2025 neue Spielräume – aber auch neue Herausforderungen:
- Formale Entpflichtung durch das Omnibus-Paket: Unternehmen unter 1.000 Mitarbeitenden fallen oft nicht mehr unter die CSRD.
- Faktische Anforderungen steigen: Große Kunden (z. B. OEMs), Banken und Versicherungen verlangen weiterhin strukturierte ESG-Daten – oft orientiert an ESRS oder VSME.
- Wettbewerbs- und Reputationsdruck nimmt zu: Wer keine ESG-Informationen liefern kann, verliert Aufträge oder Finanzierungsmöglichkeiten.
Empfehlung: KMU sollten VSME als Basis nutzen, kombiniert mit GRI-Elementen für freiwillige Transparenz oder mit CDP/EcoVadis für Kundenanforderungen. Auch eine DNK-Erklärung kann sinnvoll sein – besonders für kommunale oder öffentliche Aufträge.
Empfehlungen: Wie Unternehmen die passende Strategie wählen
Die Auswahl des passenden Rahmens hängt von drei Faktoren ab:
- Regulatorische Relevanz: Ist das Unternehmen berichtspflichtig? Dann führt kein Weg an den ESRS vorbei.
- Stakeholder-Erwartungen: Kunden, Investoren, Banken? Prüfen, welche Standards oder Ratings verlangt werden.
- Ressourcen & Zielbild: Wie viel internes Know-how und Budget ist vorhanden? Welche Nachhaltigkeitsziele verfolgt das Unternehmen selbst?
Typische Konstellationen & Handlungsempfehlungen:
- Pflichtige Unternehmen (>1.000 MA): Vollständige Umsetzung der ESRS + ergänzend IFRS S2 für internationale Kapitalmarktfähigkeit.
- Nicht-pflichtige Unternehmen mit großen B2B-Kunden: VSME + EcoVadis oder CDP-Rating für Supply Chain Transparenz.
- Unternehmen mit öffentlicher Nähe: DNK + GRI zur freiwilligen Offenlegung und Projektteilnahme.
- Impact-orientierte Unternehmen: B Corp-Zertifizierung zur Positionierung gegenüber Kunden, Talenten und Partnern.
Fazit: Strategisches ESG-Reporting wird zur Norm
Die ESG-Berichtspflichten werden differenzierter – aber nicht weniger relevant. Der Wegfall der CSRD-Pflicht für viele KMU ist kein Freibrief zur Untätigkeit. Im Gegenteil: Wer seine Stakeholder kennt und deren Anforderungen antizipiert, verschafft sich einen echten Wettbewerbsvorteil. 2025 ist das Jahr, in dem freiwillige ESG-Berichterstattung zur strategischen Unternehmensentwicklung gehört.
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