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FLAG-Emissionen: Warum Unternehmen Landnutzung in ihrer Klimastrategie berücksichtigen müssen

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14.7.2025

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Die Rolle von Landnutzung in der Klimabilanzierung (CCF)

Die Reduktion von Treibhausgasemissionen ist längst nicht mehr auf direkte Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe beschränkt. Unternehmen mit landbasierten Wertschöpfungsketten stehen vor einer zusätzlichen Herausforderung: den sogenannten FLAG-Emissionen. Der Sektor Forstwirtschaft, Landnutzung und Landwirtschaft (kurz: FLAG – Forest, Land and Agriculture) ist für rund ein Viertel der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Neben direkten Emissionen durch Düngemitteleinsatz, Viehhaltung oder Abholzung entstehen auch indirekte Emissionen durch Veränderungen in der Landnutzung. Wer sich als Unternehmen also auf den Weg Richtung Klimaneutralität oder Net-Zero machen will – etwa durch die Science Based Targets Initiative (SBTi) –, muss auch diese Emissionen berücksichtigen.

Gerade für Unternehmen aus der Lebensmittel-, Konsumgüter- und Agrarindustrie ist die FLAG-Bilanzierung zentral. Doch auch für andere Branchen mit Landnutzungseinflüssen in der Lieferkette (etwa Textil, Einzelhandel, oder Rohstoffgewinnung) gewinnen die Anforderungen rasch an Bedeutung.

Was sind FLAG-Emissionen?

FLAG-Emissionen umfassen Emissionen aus den Bereichen:

  • Landnutzungsänderungen (z. B. Entwaldung, Renaturierung, Aufforstung)
  • Landwirtschaftliche Prozesse (z. B. Düngemitteleinsatz, Viehzucht)
  • Bodenkohlenstoffveränderungen (z. B. durch Bodenbearbeitung, Erosion oder Renaturierungsmaßnahmen)

Diese Emissionen fallen entweder direkt (Scope 1) oder entlang der Wertschöpfungskette (vor allem Scope 3.1 und 3.3) an. Die Besonderheit: Hier gelten teils andere Methoden und Zielpfade als für energiebezogene Emissionen. Im Gegensatz zu klassischen Scope-1-, Scope-2- und Scope-3-Emissionen sind FLAG-Emissionen oftmals schwieriger zu messen und zu beeinflussen. Gleichzeitig ist ihr Anteil – besonders in bestimmten Branchen – signifikant.

Aerial view of fields showing Land Use Change in Agriclture
Source: Tom Fisk (Pexels)

Abgrenzung: FLAG vs. LULUCF - und wie sie zusammenhängen

Der Begriff LULUCF steht für "Land Use, Land Use Change and Forestry" und ist eng mit dem FLAG-Konzept verbunden. Während FLAG einen emissionsspezifischen Fokus hat, ist LULUCF ein übergeordneter Berichtskontext, insbesondere in nationalen Treibhausgasinventaren nach dem IPCC. Unternehmen, die sich mit FLAG auseinandersetzen, müssen typischerweise auch ihre LULUCF-relevanten Emissionen und Senken quantifizieren, z. B. bei der Erfassung von Kohlenstoffbindung durch Aufforstung oder der Emissionsfreisetzung durch Entwaldung. Zusammenfassen bestehen die folgenden wichtigen Unterschiede:

Begriff Bedeutung Relevanz im Reporting
LULUCF Land Use, Land Use Change and Forestry – Sektor im nationalen Inventar Fokus auf Nettoveränderungen aus Landnutzung
FLAG Forest, Land and Agriculture – unternehmensbezogener Bilanzrahmen Umfasst alle direkten & indirekten Emissionen

Wichtig: Während LULUCF meist aus politisch-regulatorischer Sicht (z. B. UNFCCC, IPCC) betrachtet wird, stellt FLAG ein Bilanzierungsframework auf Organisationsebene dar – mit konkreten Zielen und Methoden.

Der GHG Protocol Standard für FLAG

Im Oktober 2022 veröffentlichte das Greenhouse Gas Protocol den "Land Sector and Removals Guidance"-Standard – ein Ergänzungsmodul für Organisationen, die mit Landnutzungs- oder Entnahmedaten arbeiten. Die wichtigsten Grundsätze:

  • Separate Bilanzierung: FLAG-Emissionen werden getrennt von energiebedingten Emissionen erfasst.
  • Tracking von Kohlenstoffflüssen: Netto-Entnahmen (Carbon Removals) aus Aufforstung oder Humusaufbau müssen ebenfalls bilanziert werden.
  • Vollständigkeit in Scope 3: Auch Lieferantenlandnutzung fließt ein – etwa bei der Produktion von Palmöl, Kakao oder Rindfleisch.

Zudem empfiehlt das GHG Protocol ein konsistentes Tracking über mehrere Jahre, um Rebaselining und Zielentwicklung fundiert abzustützen.

Welche Unternehmen sind betroffen?

Unternehmen sind nach GHG Protocol-Voraben betroffen, wenn:

  • sie landwirtschaftliche Produkte oder Holz verwenden,
  • wesentliche Scope-3-Kategorien wie 3.1 (eingekaufte Güter) oder 3.11 (verkaufte Produkte) mit FLAG-Emissionen verbunden sind,
  • sie eigene landwirtschaftliche Produktionsstandorte betreiben,
  • ihre Rohstoffe aus Regionen mit Entwaldungsrisiken stammen.

SBTi FLAG: Zusätzliche Anforderungen für Ziele land- und fortswirtschaftlicher Unternehmen

Unternehmen, die wissenschaftsbasierte Klimaziele verfolgen und in FLAG-relevanten Sektoren tätig sind, müssen seit 2023 ein zusätzliches FLAG-Ziel einreichen. Die wichtigsten Anforderungen:

  • Getrennte Zielsetzung für FLAG (zusätzlich zum energiebedingten Ziel)
  • Abdeckung aller FLAG-relevanten Emissionen in Scope 1–3
  • Keine Nutzung von Offsets zum Zielerreichung (nur Removals nach Abzug der Emissionen zulässig)
  • Kein "Double Counting" von CO₂-Senken (z. B. keine gleichzeitige Anrechnung bei Carbon Credits und Unternehmensbilanz)
  • Nachweisbare Maßnahmen zur CO₂-Reduktion und Kohlenstoffbindung (z. B. Agroforst, Bodenschutz, Methanreduktion in der Tierhaltung

Wichtig: Der Schwellenwert liegt bei mehr als 20 % FLAG-Emissionen am Gesamtfootprint – bei vielen Lebensmittel- oder Textilunternehmen wird dieser leicht überschritten.

Von Marktführer umgesetzt: Wie Nestlé, Mars, Unilever und Co. mit FLAG-Emissionen umgehen

Viele große Lebensmittel- und Konsumgüterkonzerne haben bereits FLAG-Ziele veröffentlicht. Einige Beispiele:

  • Nestlé hat sich verpflichtet, bis 2025 eine entwaldungsfreie Lieferkette zu erreichen und alle FLAG-relevanten Emissionen vollständig zu erfassen.
  • Unilever verfolgt detaillierte Ziele zur Reduktion von Emissionen aus der Landwirtschaft – darunter Maßnahmen zur regenerativen Landwirtschaft und zur Rückverfolgbarkeit.
  • Mars hat besonders ambitionierte Schritte unternommen: Das Unternehmen zählt zu den wenigen, die ein separates FLAG-Ziel unter dem SBTi-Standard verankert haben. Mars verfolgt das Ziel, bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen und hat für seine Lieferketten (u.a. Kakao, Reis, Milchprodukte) explizite Maßnahmenpakete entwickelt. Dazu zählen u. a.:
    • Partnerschaften mit landwirtschaftlichen Genossenschaften
    • Einführung von Bodenschutzmaßnahmen
    • Aufforstungsprojekte und Maßnahmen zur Vermeidung von Entwaldung

Diese Vorreiter zeigen: FLAG-Emissionen sind nicht länger eine Randnotiz, sondern zentraler Bestandteil moderner Klimastrategien.

Integration in ESG- und CSRD-Berichte

FLAG-relevante Emissionen werden auch in der EU-Taxonomie und in der Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß CSRD / ESRS E1 zunehmend gefordert. Das bedeutet:

  • Unternehmen müssen Transparenz zu emissionsintensiven Lieferketten herstellen.
  • Die landbasierte Bilanzierung muss mit wirtschaftlichen Aktivitäten (z. B. "Taxonomie-eligible" agriculture) verknüpft werden.
  • Auch für kleinere Unternehmen wird dieses Thema in ESG-Ratings und in der Lieferkettenkommunikation zunehmend relevant.

Was bedeutet das für Unternehmen?

Die Herausforderungen:

  • Datenlage: Lieferkettendaten zu Landnutzung sind oft bruchstückhaft oder schwer zugänglich.
  • Methodenwahl: Unterschiedliche Emissionsfaktoren und Methoden (z. B. Tierhaltung, Bodenumbruch) erschweren Vergleichbarkeit.
  • Monitoring: Langfristige Änderungen in Landnutzung (z. B. durch Aufforstung) müssen kontinuierlich begleitet werden.

Unsere Handlungsempfehlungen:

  1. Scope-3-Bilanz analysieren – identifizieren Sie Hotspots mit FLAG-Bezug (Agrarrohstoffe, Papier, Fleisch, etc.)
  2. Pilot-Lieferketten auswählen – starten Sie mit einer Produktlinie oder einem Land
  3. Partner einbinden – kooperieren Sie mit Lieferanten, NGOs und Landnutzungs-Expert:innen
  4. Transparenz erhöhen – veröffentlichen Sie klare FLAG-Daten im Rahmen Ihrer ESG-Kommunikation
  5. Ziele richtig aufsetzen – prüfen Sie, ob ein SBTi FLAG-Ziel erforderlich ist und welche Datenbasis fehlt

Fazit: FLAG ernst nehmen – und strategisch integrieren

FLAG-Emissionen markieren einen neuen Standard in der Klimaberichterstattung. Sie sind besonders relevant für Unternehmen in der Lebensmittel-, Kosmetik-, Agrar- und Textilbranche – aber auch in allen Sektoren, die indirekt auf landwirtschaftliche Rohstoffe zurückgreifen.

Wer strategisch handeln will, sollte:

  • eine erste Screening-Bewertung der FLAG-Relevanz durchführen
  • bestehende THG-Bilanzen und Scope-3-Analysen auf Landnutzungslücken prüfen
  • potenzielle Ziele und Maßnahmen mit dem SBTi FLAG-Standard abgleichen
  • Stakeholder entlang der Lieferkette (z. B. Produzenten, Händler) frühzeitig einbinden

Je früher Unternehmen ihre FLAG-Emissionen identifizieren und systematisch reduzieren, desto besser können sie regulatorischen Anforderungen begegnen – und ihr Nachhaltigkeitsprofil strategisch schärfen. Wenn Sie Beratung zu FLAG-Emissionen, SBTi FLAG oder landnutzungsbezogener Bilanzierung suchen, sprechen Sie uns an – Five Glaciers Consulting begleitet Sie mit Erfahrung und Praxisnähe.

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