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Vom Narrativ zur Strategie: Wie Sie Klimaszenarien erfolgreich einsetzen

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DATE

15.1.2025

TOPICS

Best Practices

Governance & regulation

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Die Auswirkungen des Klimawandels sind nicht mehr hypothetisch. Sie sind real, zunehmend spürbar und stellen Unternehmen aller Branchen vor neue Herausforderungen. Klimaszenarien bieten ein Werkzeug, um diesen Herausforderungen mit strategischer Weitsicht zu begegnen. Doch was genau versteht man unter Klimaszenarien – und weshalb gewinnen sie gerade jetzt an Bedeutung?

In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Sie Klimaszenarien strukturiert anwenden, worin sich unterschiedliche Typen unterscheiden, welche Schritte notwendig sind und wie typische Anwendungsfälle integriert werden können. Hierbei berücksichtigen wir Empfehlungen der TCFD und MSCI.

Was sind Klimaszenarien – und warum sind sie für Unternehmen relevant?

Ein Klimaszenario beschreibt eine hypothetische Zukunft unter bestimmten Annahmen über politische, technologische, wirtschaftliche und klimatische Entwicklungen. Es handelt sich nicht um Vorhersagen, sondern um mögliche Verläufe, die Organisationen helfen, strategische Entscheidungen unter Unsicherheit zu treffen. Gerade in Zeiten zunehmender regulatorischer Anforderungen und einer volatilen Weltlage wird die Fähigkeit, mit Unsicherheit konstruktiv umzugehen, zum strategischen Vorteil.

Nutzen für Unternehmen:

  • Identifikation und Bewertung von Klimarisiken (physisch und transitorisch)
  • Resilienzprüfung der Unternehmensstrategie
  • Ableitung konkreter Anpassungsmaßnahmen
  • Grundlage für regulatorische und freiwillige Berichterstattung (z. B. CSRD, TCFD, ISSB)

Zwei Denkansätze und vier methodische Typen: So lassen sich Szenarien strukturieren

Die grundsätzliche Herangehensweise an Szenarien lässt sich in zwei Denkrichtungen einteilen:

Explorative Szenarien analysieren, wie sich verschiedene Versionen der Zukunft plausibel entwickeln könnten. Sie zeichnen alternative Realitäten und helfen, unter Unsicherheit resilientere Entscheidungen zu treffen. Ziel ist das Erkennen von Risiken, Chancen und Schwachstellen.

Normative Szenarien hingegen beschreiben ein angestrebtes Zukunftsbild (z. B. Net Zero 2040) und leiten rückwärtsgerichtet ab, welche Maßnahmen erforderlich wären, um dieses Zukunftsbild zu erreichen. Sie sind vor allem für Zielplanung, Transformationsstrategien und Innovationsansätze hilfreich.

Unternehmen sollten beide Typen nutzen. Explorative Szenarien zur Risikoanalyse und normative Szenarien zur Zielplanung

Quelle: MSCI - Table 1: Typology of climate scenarios

Neben dieser inhaltlichen Unterscheidung in explorative und normative Szenarien lassen sich Klimaszenarien auch methodisch klassifizieren – je nachdem, wie tiefgehend und quantitativ sie ausgearbeitet sind:

1. Narrative (vollständig qualitativ)

Diese Szenarien basieren auf rein beschreibenden Texten, die mögliche Entwicklungen schildern, z. B. regulatorische Trends, gesellschaftliche Stimmungen oder technologische Richtungswechsel. Sie sind besonders nützlich zu Beginn des Prozesses oder für die Kommunikation mit nicht-technischen Zielgruppen.

  • Vorteile: Geringer Aufwand, hohe Anschlussfähigkeit in strategischen Diskussionen, kein Modellierungsaufwand
  • Nachteile: Keine quantitativen Aussagen möglich, eingeschränkte Vergleichbarkeit und Validierbarkeit

2. Quantifizierte Narrative (semi-quantitativ)

Hier werden narrative Szenarien durch grobe Zahlenangaben ergänzt, etwa durch Expertenschätzungen oder einfache Rechenmodelle. Sie sind ein nützlicher Übergang zwischen qualitativer Einschätzung und tiefergehender Modellierung.

  • Vorteile: Ermöglicht erste Risikoquantifizierung, relativ flexibel, hilfreich für Planungsprozesse
  • Nachteile: Gefahr von Scheingenauigkeit, erhöhter Aufwand gegenüber rein qualitativen Szenarien

3. Modellgetriebene Szenarien (extern oder intern)

Diese Szenarien basieren auf umfassenden wissenschaftlichen Modellen (z. B. Integrated Assessment Models, NGFS- oder IEA-Szenarien). Sie liefern strukturierte und vergleichbare Ergebnisse und sind oft Grundlage für Berichterstattung oder strategische Risikomodelle.

  • Vorteile: Fundierte Datenbasis, oft regulatorisch anerkannt
  • Nachteile: Wenig Flexibilität für unternehmensspezifische Annahmen, hoher Interpretationsbedarf, externe Unterstützung oft notwendig

4. Probabilistische Szenarien (stochastisch)

Diese Form simuliert viele mögliche Zukunftspfad-Kombinationen mit Wahrscheinlichkeitsverteilungen und Sensitivitäten. Besonders im Finanzbereich (Versicherungen, Investitionen) werden diese Szenarien genutzt.

  • Vorteile: Abbildung von Unsicherheiten, Stress-Testing unter extremen Bedingungen, fundiert für Risikomodelle
  • Nachteile: Sehr hohe Komplexität, hohes Datenbedürfnis, Interpretation oft nur mit Fachunterstützung

Zentrale Szenarientypen: RCPs und SSPs im Überblick

Viele Unternehmen greifen bei der Entwicklung von Szenarien auf öffentlich zugängliche Pfade zurück. Für die Entwicklung von Klimaszenarien haben sich zwei international anerkannte Modellansätze etabliert: die Representative Concentration Pathways (RCPs) und die Shared Socioeconomic Pathways (SSPs).

Die Representative Concentration Pathways (RCPs) sind eine Reihe von Klimaszenarien, die von der wissenschaftlichen Gemeinschaft entwickelt wurden, um verschiedene mögliche Zukünfte in Abhängigkeit vom Ausmaß der Treibhausgasemissionen zu untersuchen. Die Bezeichnung der Szenarien bezieht sich auf das Maß der Strahlungsantriebskraft (also des Erwärmungseffekts), das sie für das Jahr 2100 projizieren - gemessen in der Strahlungsbilanz (W/m²):

  • RCP2.6: Ambitioniertes 1,5–2 °C-Szenario mit stark sinkenden Emissionen ab den 2020ern.
  • RCP4.5: Moderate Reduktionen, Emissionspeak um 2040 – etwa +2,5 °C bis 2100.
  • RCP6.0: Später Emissionspeak (um 2080), ca. +3 °C Erwärmung.
  • RCP8.5: „Business as usual“ – weiter steigende Emissionen, >4 °C bis 2100.

Die Shared Socioeconomic Pathways (SSPs) ergänzen die RCPs um eine sozioökonomische Dimension. Sie berücksichtigen Faktoren wie wirtschaftliches Wachstum, technologische Innovationen und gesellschaftliche Entwicklungen, um aufzuzeigen, wie globale Trends die Emissionen und Möglichkeiten zur Minderung des Klimawandels beeinflussen.

  • SSP1 – Nachhaltigkeit: Globale Kooperation, geringe Emissionen (wie RCP2.6).
  • SSP2 – Mittelweg: Entwicklung im historischen Trend (wie RCP4.5).
  • SSP3 – Regionale Rivalität: Fragmentierte Welt, hohe Emissionen (ähnlich RCP7.0).
  • SSP4 – Ungleichheit: Polarisierte Welt mit gemischten Emissionen (ähnlich RCP6.0).
  • SSP5 – Fossil getriebenes Wachstum: Starke Wirtschaftsleistung auf Basis fossiler Energie – hohe Emissionen (wie RCP8.5).

Schrittweise Umsetzung: Der Weg zur Anwendung im Unternehmen

Auswahl geeigneter Szenarien

Die Auswahl geeigneter Klimaszenarien hängt stark von Branche, Region und strategischer Zielsetzung ab. Entscheidend ist, dass die Szenarien relevante Unsicherheiten und Wirkmechanismen abbilden, ohne überkompliziert oder rein akademisch zu sein.

Unsere Empfehlung: Starten Sie mit narrativen oder quantifizierten Szenarien und entwickeln Sie mit wachsender Erfahrung modellgestützte Ansätze. Die Kombination unterschiedlicher Typen fördert sowohl strategische Diskussionen als auch belastbare Entscheidungen.

Empfohlene Kriterien (basierend auf TCFD)

  • Vielfalt: Mindestens 2-3 kontrastierende Szenarien (z. B. <1,5°C-, 2°C- und >3°C-Pfade)
  • Horizonte: Kurzfristig (5 Jahre), mittel- (10-15) und langfristig (30+ Jahre)
  • Relevanz: Berücksichtigung physischer und transitorischer Risiken
  • Zugänglichkeit: Nutzung veröffentlichter Szenarien (z. B. NGFS, IEA, IPCC) kombiniert mit unternehmensspezifischen Anpassungen

6-Schritte-Prozess zur Szenariointegration

Dieser strukturierte Prozess dient als bewährte Grundlage zur Etablierung und Weiterentwicklung einer Szenarioanalyse im Unternehmen:

  1. Governance etablieren: Zuständigkeiten festlegen, interdisziplinäres Kernteam aufbauen, Vorstand einbinden.
  2. Materialität prüfen: Welche Klimaeinflüsse sind finanziell wesentlich? Physische Standorte? Lieferketten? Marktverhalten?
  3. Szenarien definieren: Auswahl von 2-4 Szenarien mit glaubwürdigen Narrativen und passenden Parametern.
  4. Geschäftliche Auswirkungen evaluieren: Auswirkungen auf Umsatz, Kosten, Capex/Opex, Vermögenswerte, Versorgungssicherheit etc.
  5. Strategische Reaktionen entwickeln: Anpassung von Geschäftsmodell, Portfolio, Investitionsstrategie.
  6. Dokumentieren und kommunizieren: Nachvollziehbare Kommunikation von Annahmen, Ergebnissen und Implikationen.

Tipp: Viele Unternehmen starten mit qualitativen Narrativen und entwickeln im Zeitverlauf quantitative Erweiterungen.

Typische Anwendungsfälle

Szenarien entfalten ihren Nutzen erst dann vollständig, wenn sie in operative und strategische Prozesse übersetzt werden. Folgende Anwendungsbereiche sind besonders relevant:

Berichterstattung & Transparenz (z. B. CSRD, TCFD, ISSB)

Szenarien unterstützen die Pflicht zur Offenlegung der Strategie-Resilienz gegenüber Klimarisiken.

  • Start mit explorativen Narrativen
  • Integration von Temperaturpfaden (z. B. 1,5°C vs. 4°C)
  • Verwendung von NGFS- oder IEA-Szenarien
  • Klare Kommunikation von Unsicherheiten und Annahmen

Strategisches Risikomanagement

  • Identifikation von Schwachstellen im Geschäftsmodell
  • Integration in Risikomanagementprozesse
  • Stress-Testing von Versorgungsketten, Rohstoffpreisen, Nachfrageverhalten

Kapitalallokation und Investitionsentscheidungen

  • Bewertung klimabezogener Investitionsrisiken und -chancen
  • Anpassung von Asset-Bewertungen (z. B. Stranded Assets)
  • Entwicklung resilienter Technologien und Produkte

Innovation und Produktentwicklung

  • Szenarien können dabei helfen, neue Märkte und Kundenbedürfnisse unter veränderten Rahmenbedingungen zu identifizieren.

Grenzen und Unsicherheiten von Klimaszenarien

Klimaszenarien sind ein wertvolles Instrument zur strategischen Planung und Entscheidungsfindung. Gleichzeitig ist es wichtig, ihre Grenzen zu kennen und mit den zugrunde liegenden Unsicherheiten bewusst umzugehen. Diese ergeben sich sowohl aus wissenschaftlich-technischen als auch aus sozioökonomischen Faktoren:

Wissenschaftliche Unsicherheit: Modelle bilden komplexe Prozesse wie Wolkenbildung, Meeresströmungen oder Rückkopplungen im Erdsystem nur vereinfacht ab. Besonders regionale Effekte – etwa Niederschlag oder Extremereignisse – bleiben schwer vorhersehbar.

Szenarienunsicherheit: Szenarien beruhen auf Annahmen über gesellschaftliche Entwicklungen, internationale Klimapolitik oder technologische Trends. Welcher Pfad tatsächlich eintritt, ist offen – die Vielfalt möglicher Verläufe gehört daher zum Konzept.

Natürliche Klimavariabilität: Klimaphänomene wie El Niño oder La Niña führen zu kurzfristigen Schwankungen, die langfristige Trends überlagern können – insbesondere auf regionaler Ebene.

Grenzen der Regionalisierung: Bei der Übertragung globaler Modelle auf regionale Kontexte steigt die Unsicherheit. Lokale Klimafolgen lassen sich oft nur grob abschätzen.

Szenarien ermöglichen keine exakten Vorhersagen, sondern zeigen Bandbreiten plausibler Entwicklungen auf. Ihr Wert liegt in der Vorbereitung auf Unsicherheit – und in der Förderung robuster, zukunftsfähiger Entscheidungen.

Unsere Empfehlung: Szenarien als Strategie-Tool etablieren

Viele Unternehmen betrachten Szenarioanalysen noch als Reporting-Tool. Unser Rat: Betrachten Sie sie als strategisches Steuerungsinstrument.

  • Beginnen Sie einfach: Starten Sie mit narrativen Szenarien, nutzen Sie veröffentlichte Templates.
  • Verankern Sie den Prozess: Nicht als Einmal-Übung, sondern als iterativen Prozess, eingebettet in Strategie, Finanzen und Risikomanagement.
  • Nutzen Sie die Stärken Ihres Finanzbereichs: Datenkompetenz, Szenarioplanung, Integration in Unternehmenssteuerung.

Ein Unternehmen, das Klimaszenarien systematisch einsetzt, erhöht nicht nur seine Resilienz, sondern gewinnt auch strategische Klarheit über neue Chancen im Ökosystem von morgen. Wenn Sie Szenarien in Ihre Strategie integrieren möchten, starten Sie mit einfachen Narrativen – und bauen Sie diese schrittweise aus. Für vertiefte Unterstützung stehen wir Ihnen als spezialisierter Partner zur Seite.

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Vom Narrativ zur Strategie: Wie Sie Klimaszenarien erfolgreich einsetzen

Best Practices
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15.1.2025

Die Auswirkungen des Klimawandels sind nicht mehr hypothetisch. Sie sind real, zunehmend spürbar und stellen Unternehmen aller Branchen vor neue Herausforderungen. Klimaszenarien bieten ein Werkzeug, um diesen Herausforderungen mit strategischer Weitsicht zu begegnen. Doch was genau versteht man unter Klimaszenarien – und weshalb gewinnen sie gerade jetzt an Bedeutung?

In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Sie Klimaszenarien strukturiert anwenden, worin sich unterschiedliche Typen unterscheiden, welche Schritte notwendig sind und wie typische Anwendungsfälle integriert werden können. Hierbei berücksichtigen wir Empfehlungen der TCFD und MSCI.

Was sind Klimaszenarien – und warum sind sie für Unternehmen relevant?

Ein Klimaszenario beschreibt eine hypothetische Zukunft unter bestimmten Annahmen über politische, technologische, wirtschaftliche und klimatische Entwicklungen. Es handelt sich nicht um Vorhersagen, sondern um mögliche Verläufe, die Organisationen helfen, strategische Entscheidungen unter Unsicherheit zu treffen. Gerade in Zeiten zunehmender regulatorischer Anforderungen und einer volatilen Weltlage wird die Fähigkeit, mit Unsicherheit konstruktiv umzugehen, zum strategischen Vorteil.

Nutzen für Unternehmen:

  • Identifikation und Bewertung von Klimarisiken (physisch und transitorisch)
  • Resilienzprüfung der Unternehmensstrategie
  • Ableitung konkreter Anpassungsmaßnahmen
  • Grundlage für regulatorische und freiwillige Berichterstattung (z. B. CSRD, TCFD, ISSB)

Zwei Denkansätze und vier methodische Typen: So lassen sich Szenarien strukturieren

Die grundsätzliche Herangehensweise an Szenarien lässt sich in zwei Denkrichtungen einteilen:

Explorative Szenarien analysieren, wie sich verschiedene Versionen der Zukunft plausibel entwickeln könnten. Sie zeichnen alternative Realitäten und helfen, unter Unsicherheit resilientere Entscheidungen zu treffen. Ziel ist das Erkennen von Risiken, Chancen und Schwachstellen.

Normative Szenarien hingegen beschreiben ein angestrebtes Zukunftsbild (z. B. Net Zero 2040) und leiten rückwärtsgerichtet ab, welche Maßnahmen erforderlich wären, um dieses Zukunftsbild zu erreichen. Sie sind vor allem für Zielplanung, Transformationsstrategien und Innovationsansätze hilfreich.

Unternehmen sollten beide Typen nutzen. Explorative Szenarien zur Risikoanalyse und normative Szenarien zur Zielplanung

Quelle: MSCI - Table 1: Typology of climate scenarios

Neben dieser inhaltlichen Unterscheidung in explorative und normative Szenarien lassen sich Klimaszenarien auch methodisch klassifizieren – je nachdem, wie tiefgehend und quantitativ sie ausgearbeitet sind:

1. Narrative (vollständig qualitativ)

Diese Szenarien basieren auf rein beschreibenden Texten, die mögliche Entwicklungen schildern, z. B. regulatorische Trends, gesellschaftliche Stimmungen oder technologische Richtungswechsel. Sie sind besonders nützlich zu Beginn des Prozesses oder für die Kommunikation mit nicht-technischen Zielgruppen.

  • Vorteile: Geringer Aufwand, hohe Anschlussfähigkeit in strategischen Diskussionen, kein Modellierungsaufwand
  • Nachteile: Keine quantitativen Aussagen möglich, eingeschränkte Vergleichbarkeit und Validierbarkeit

2. Quantifizierte Narrative (semi-quantitativ)

Hier werden narrative Szenarien durch grobe Zahlenangaben ergänzt, etwa durch Expertenschätzungen oder einfache Rechenmodelle. Sie sind ein nützlicher Übergang zwischen qualitativer Einschätzung und tiefergehender Modellierung.

  • Vorteile: Ermöglicht erste Risikoquantifizierung, relativ flexibel, hilfreich für Planungsprozesse
  • Nachteile: Gefahr von Scheingenauigkeit, erhöhter Aufwand gegenüber rein qualitativen Szenarien

3. Modellgetriebene Szenarien (extern oder intern)

Diese Szenarien basieren auf umfassenden wissenschaftlichen Modellen (z. B. Integrated Assessment Models, NGFS- oder IEA-Szenarien). Sie liefern strukturierte und vergleichbare Ergebnisse und sind oft Grundlage für Berichterstattung oder strategische Risikomodelle.

  • Advantages: Fundierte Datenbasis, oft regulatorisch anerkannt
  • Nachteile: Wenig Flexibilität für unternehmensspezifische Annahmen, hoher Interpretationsbedarf, externe Unterstützung oft notwendig

4. Probabilistische Szenarien (stochastisch)

Diese Form simuliert viele mögliche Zukunftspfad-Kombinationen mit Wahrscheinlichkeitsverteilungen und Sensitivitäten. Besonders im Finanzbereich (Versicherungen, Investitionen) werden diese Szenarien genutzt.

  • Vorteile: Abbildung von Unsicherheiten, Stress-Testing unter extremen Bedingungen, fundiert für Risikomodelle
  • Nachteile: Sehr hohe Komplexität, hohes Datenbedürfnis, Interpretation oft nur mit Fachunterstützung

Zentrale Szenarientypen: RCPs und SSPs im Überblick

Viele Unternehmen greifen bei der Entwicklung von Szenarien auf öffentlich zugängliche Pfade zurück. Für die Entwicklung von Klimaszenarien haben sich zwei international anerkannte Modellansätze etabliert: die Representative Concentration Pathways (RCPs) und die Shared Socioeconomic Pathways (SSPs).

Die Representative Concentration Pathways (RCPs) sind eine Reihe von Klimaszenarien, die von der wissenschaftlichen Gemeinschaft entwickelt wurden, um verschiedene mögliche Zukünfte in Abhängigkeit vom Ausmaß der Treibhausgasemissionen zu untersuchen. Die Bezeichnung der Szenarien bezieht sich auf das Maß der Strahlungsantriebskraft (also des Erwärmungseffekts), das sie für das Jahr 2100 projizieren - gemessen in der Strahlungsbilanz (W/m²):

  • RCP2.6: Ambitioniertes 1,5–2 °C-Szenario mit stark sinkenden Emissionen ab den 2020ern.
  • RCP4.5: Moderate Reduktionen, Emissionspeak um 2040 – etwa +2,5 °C bis 2100.
  • RCP6.0: Später Emissionspeak (um 2080), ca. +3 °C Erwärmung.
  • RCP8.5: „Business as usual“ – weiter steigende Emissionen, >4 °C bis 2100.

Die Shared Socioeconomic Pathways (SSPs) ergänzen die RCPs um eine sozioökonomische Dimension. Sie berücksichtigen Faktoren wie wirtschaftliches Wachstum, technologische Innovationen und gesellschaftliche Entwicklungen, um aufzuzeigen, wie globale Trends die Emissionen und Möglichkeiten zur Minderung des Klimawandels beeinflussen.

  • SSP1 – Nachhaltigkeit: Globale Kooperation, geringe Emissionen (wie RCP2.6).
  • SSP2 – Mittelweg: Entwicklung im historischen Trend (wie RCP4.5).
  • SSP3 – Regionale Rivalität: Fragmentierte Welt, hohe Emissionen (ähnlich RCP7.0).
  • SSP4 – Ungleichheit: Polarisierte Welt mit gemischten Emissionen (ähnlich RCP6.0).
  • SSP5 – Fossil getriebenes Wachstum: Starke Wirtschaftsleistung auf Basis fossiler Energie – hohe Emissionen (wie RCP8.5).

Schrittweise Umsetzung: Der Weg zur Anwendung im Unternehmen

Auswahl geeigneter Szenarien

Die Auswahl geeigneter Klimaszenarien hängt stark von Branche, Region und strategischer Zielsetzung ab. Entscheidend ist, dass die Szenarien relevante Unsicherheiten und Wirkmechanismen abbilden, ohne überkompliziert oder rein akademisch zu sein.

Unsere Empfehlung: Starten Sie mit narrativen oder quantifizierten Szenarien und entwickeln Sie mit wachsender Erfahrung modellgestützte Ansätze. Die Kombination unterschiedlicher Typen fördert sowohl strategische Diskussionen als auch belastbare Entscheidungen.

Empfohlene Kriterien (basierend auf TCFD)

  • Vielfalt: Mindestens 2-3 kontrastierende Szenarien (z. B. <1,5°C-, 2°C- und >3°C-Pfade)
  • Horizonte: Kurzfristig (5 Jahre), mittel- (10-15) und langfristig (30+ Jahre)
  • Relevanz: Berücksichtigung physischer und transitorischer Risiken
  • Zugänglichkeit: Nutzung veröffentlichter Szenarien (z. B. NGFS, IEA, IPCC) kombiniert mit unternehmensspezifischen Anpassungen

6-Schritte-Prozess zur Szenariointegration

Dieser strukturierte Prozess dient als bewährte Grundlage zur Etablierung und Weiterentwicklung einer Szenarioanalyse im Unternehmen:

  1. Governance etablieren: Zuständigkeiten festlegen, interdisziplinäres Kernteam aufbauen, Vorstand einbinden.
  2. Materialität prüfen: Welche Klimaeinflüsse sind finanziell wesentlich? Physische Standorte? Lieferketten? Marktverhalten?
  3. Szenarien definieren: Auswahl von 2-4 Szenarien mit glaubwürdigen Narrativen und passenden Parametern.
  4. Geschäftliche Auswirkungen evaluieren: Auswirkungen auf Umsatz, Kosten, Capex/Opex, Vermögenswerte, Versorgungssicherheit etc.
  5. Strategische Reaktionen entwickeln: Anpassung von Geschäftsmodell, Portfolio, Investitionsstrategie.
  6. Dokumentieren und kommunizieren: Nachvollziehbare Kommunikation von Annahmen, Ergebnissen und Implikationen.

Tipp: Viele Unternehmen starten mit qualitativen Narrativen und entwickeln im Zeitverlauf quantitative Erweiterungen.

Typische Anwendungsfälle

Szenarien entfalten ihren Nutzen erst dann vollständig, wenn sie in operative und strategische Prozesse übersetzt werden. Folgende Anwendungsbereiche sind besonders relevant:

Berichterstattung & Transparenz (z. B. CSRD, TCFD, ISSB)

Szenarien unterstützen die Pflicht zur Offenlegung der Strategie-Resilienz gegenüber Klimarisiken.

  • Start mit explorativen Narrativen
  • Integration von Temperaturpfaden (z. B. 1,5°C vs. 4°C)
  • Verwendung von NGFS- oder IEA-Szenarien
  • Klare Kommunikation von Unsicherheiten und Annahmen

Strategisches Risikomanagement

  • Identifikation von Schwachstellen im Geschäftsmodell
  • Integration in Risikomanagementprozesse
  • Stress-Testing von Versorgungsketten, Rohstoffpreisen, Nachfrageverhalten

Kapitalallokation und Investitionsentscheidungen

  • Bewertung klimabezogener Investitionsrisiken und -chancen
  • Anpassung von Asset-Bewertungen (z. B. Stranded Assets)
  • Entwicklung resilienter Technologien und Produkte

Innovation und Produktentwicklung

  • Szenarien können dabei helfen, neue Märkte und Kundenbedürfnisse unter veränderten Rahmenbedingungen zu identifizieren.

Grenzen und Unsicherheiten von Klimaszenarien

Klimaszenarien sind ein wertvolles Instrument zur strategischen Planung und Entscheidungsfindung. Gleichzeitig ist es wichtig, ihre Grenzen zu kennen und mit den zugrunde liegenden Unsicherheiten bewusst umzugehen. Diese ergeben sich sowohl aus wissenschaftlich-technischen als auch aus sozioökonomischen Faktoren:

Wissenschaftliche Unsicherheit: Modelle bilden komplexe Prozesse wie Wolkenbildung, Meeresströmungen oder Rückkopplungen im Erdsystem nur vereinfacht ab. Besonders regionale Effekte – etwa Niederschlag oder Extremereignisse – bleiben schwer vorhersehbar.

Szenarienunsicherheit: Szenarien beruhen auf Annahmen über gesellschaftliche Entwicklungen, internationale Klimapolitik oder technologische Trends. Welcher Pfad tatsächlich eintritt, ist offen – die Vielfalt möglicher Verläufe gehört daher zum Konzept.

Natürliche Klimavariabilität: Klimaphänomene wie El Niño oder La Niña führen zu kurzfristigen Schwankungen, die langfristige Trends überlagern können – insbesondere auf regionaler Ebene.

Grenzen der Regionalisierung: Bei der Übertragung globaler Modelle auf regionale Kontexte steigt die Unsicherheit. Lokale Klimafolgen lassen sich oft nur grob abschätzen.

Szenarien ermöglichen keine exakten Vorhersagen, sondern zeigen Bandbreiten plausibler Entwicklungen auf. Ihr Wert liegt in der Vorbereitung auf Unsicherheit – und in der Förderung robuster, zukunftsfähiger Entscheidungen.

Unsere Empfehlung: Szenarien als Strategie-Tool etablieren

Viele Unternehmen betrachten Szenarioanalysen noch als Reporting-Tool. Unser Rat: Betrachten Sie sie als strategisches Steuerungsinstrument.

  • Beginnen Sie einfach: Starten Sie mit narrativen Szenarien, nutzen Sie veröffentlichte Templates.
  • Verankern Sie den Prozess: Nicht als Einmal-Übung, sondern als iterativen Prozess, eingebettet in Strategie, Finanzen und Risikomanagement.
  • Nutzen Sie die Stärken Ihres Finanzbereichs: Datenkompetenz, Szenarioplanung, Integration in Unternehmenssteuerung.

Ein Unternehmen, das Klimaszenarien systematisch einsetzt, erhöht nicht nur seine Resilienz, sondern gewinnt auch strategische Klarheit über neue Chancen im Ökosystem von morgen. Wenn Sie Szenarien in Ihre Strategie integrieren möchten, starten Sie mit einfachen Narrativen – und bauen Sie diese schrittweise aus. Für vertiefte Unterstützung stehen wir Ihnen als spezialisierter Partner zur Seite.

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