Der Product Carbon Footprint (PCF) ist eine ökologische Kennzahl auf Produktebene. Er gibt Auskunft darüber, welche Treibhausgasemissionen – in Form von CO₂-Äquivalenten – bei Herstellung, Transport, Nutzung und Entsorgung eines Produkts entstehen. Anders als der Corporate Carbon Footprint (CCF), der eine gesamte Organisation betrachtet, fokussiert der PCF gezielt auf einzelne Güter oder Dienstleistungen.
Damit liefert er einen entscheidenden Hebel: Unternehmen können Hotspots innerhalb der Wertschöpfungskette identifizieren, Produktvarianten vergleichen und die Klimawirkung von Innovationen transparent darstellen. Diese Produktperspektive ist in Märkten mit wachsendem Nachhaltigkeitsdruck ein zentraler Wettbewerbsfaktor.
Systemgrenzen - Was wird erfasst?
Ein PCF kann auf verschiedenen Systemgrenzen beruhen. Die Wahl der Grenze entscheidet darüber, wie vollständig und aussagekräftig die Bilanz ist:
Cradle-to-Gate: Vom Rohstoffabbau bis zum Werkstor. Diese Abgrenzung eignet sich besonders für interne Optimierungen oder für Lieferantengespräche.
Cradle-to-Grave: Betrachtet den gesamten Lebenszyklus – inklusive Nutzung durch den Kunden sowie Entsorgung oder Recycling. Sie ist Standard, wenn Produkte im Betrieb selbst Emissionen verursachen (z. B. Fahrzeuge, Elektrogeräte).
Cradle-to-Cradle: Erweiterte Bilanz, die neben der Nutzung auch die Wiederverwertung und Kreislaufführung berücksichtigt. Besonders relevant in zirkulären Geschäftsmodellen.
Die Auswahl hängt vom Anwendungsfall ab: Für Designentscheidungen genügt oft eine Cradle-to-Gate-Bilanz, während für Produktlabeling oder regulatorische Offenlegung eine Cradle-to-Grave-Perspektive notwendig ist.
Systemgrenzen eines PCF
Phasen des Produktlebenszyklus und die drei gebräuchlichen Systemgrenzen: Cradle-to-Gate (CtG), Cradle-to-Grave (CtGv) und Cradle-to-Cradle (CtC).
Methodik – wie entsteht ein belastbarer PCF?
Die Berechnung eines PCF folgt in der Regel den Standards ISO 14040/44 (LCA) und ISO 14067 sowie dem GHG Protocol Product Standard. Entscheidend ist ein systematisches Vorgehen in mehreren Schritten:
Zunächst werden Ziele und Umfang definiert: Welche funktionelle Einheit wird gewählt (z. B. „eine Flasche Wasser“ oder „ein Auto über zehn Jahre“)? Welche Systemgrenzen gelten, welche Lebensdauer wird angenommen? Anschließend folgt die Modellierung der Prozesskette, die typischerweise drei Hauptbereiche abdeckt:
Upstream (Vorkette): Rohstoffgewinnung, Vorprodukte, Transport, Energieeinsatz in Zulieferprozessen.
Downstream (Nutzung & Ende des Lebenszyklus): Transport zum Kunden, Energieverbrauch während der Nutzung, Entsorgung, Recycling.
Die Datenerhebung erfolgt in einem Mix aus Primärdaten (direkt von Lieferanten oder eigenen Prozessen) und Sekundärdaten (z. B. ecoinvent, GaBi, DEFRA). Wichtig ist, die Qualität und Grenzen der Daten zu dokumentieren, da diese erheblich die Glaubwürdigkeit beeinflussen. Abschließend werden alle Emissionen mit anerkannten Faktoren in CO₂e umgerechnet, Unsicherheiten analysiert und – idealerweise – durch eine kritische Prüfung oder externe Verifizierung abgesichert.
Warum ist ein PCF wichtig?
Der Nutzen eines PCF reicht weit über reine Kennzahlen hinaus. Er ist ein strategisches Werkzeug, das sowohl im Produktmanagement als auch in Einkauf, Marketing und Nachhaltigkeitsberichterstattung Wirkung entfaltet.
Unternehmen profitieren von einem PCF, weil er:
Produktentwicklung unterstützt: Material- und Prozessalternativen können systematisch verglichen und emissionsärmere Lösungen umgesetzt werden.
Kundenerwartungen erfüllt: Immer mehr Kunden und Geschäftspartner fordern belastbare Informationen zur Klimawirkung einzelner Produkte.
Regulatorische Anforderungen abdeckt: Mit Initiativen wie der EU-Ökodesign-Richtlinie oder dem Product Environmental Footprint (PEF) wird die Offenlegung von PCFs zunehmend verbindlich.
Marktvorteile schafft: Produkte mit geringeren Emissionen lassen sich als nachhaltig positionieren und erzielen Wettbewerbsvorteile – intern wie extern.
Anwendungsfälle und Beispiele
In der Praxis wird der PCF in ganz unterschiedlichen Kontexten eingesetzt:
Konsumgüter & Lebensmittel: Analyse von Verpackungen oder Rohstoffen (z. B. Recycling-PET vs. Neuplastik) mit direkter Auswirkung auf Marketing und Preispunkte.
Industrie & Maschinenbau: Bewertung von Komponenten oder Zulieferteilen, um Lieferanten gezielt nach Klimakriterien auszuwählen.
Automobil- und Mobilitätssektor: Ganzheitliche Betrachtung von Fahrzeugen, Batterien und Energieträgern über ihre Lebensdauer.
Bausektor: Vergleich von Baustoffen wie Beton, Stahl oder Holz – Grundlage für nachhaltige Bauentscheidungen.
Ein Beispiel: Ein Getränkehersteller stellt fest, dass 60 % des PCF einer PET-Flasche auf die Verpackung entfallen. Durch den Einsatz von Recycling-Material lässt sich der PCF signifikant senken und das Produkt klimafreundlicher vermarkten.
Herausforderungen und Grenzen
Die Erstellung eines PCF ist anspruchsvoll, weil sie auf komplexe Lieferketten und Datenzugänge angewiesen ist. Typische Herausforderungen sind:
Datenverfügbarkeit: Lieferanten haben oft keine oder nur unzureichende Emissionsdaten. Unternehmen müssen hier schrittweise vorgehen und mit Sekundärdaten starten.
Komplexität der Modellierung: Unterschiedliche Lebenszyklen (kurzlebige Konsumgüter vs. langlebige Investitionsgüter) erfordern unterschiedliche Ansätze.
Methodische Unterschiede: Verschiedene Standards und Systemgrenzen können zu abweichenden Ergebnissen führen, was die Vergleichbarkeit erschwert.
Ressourcenaufwand: Die Erstellung eines belastbaren PCF ist zeit- und kostenintensiv, insbesondere wenn Lieferketten global und komplex sind.
Trotzdem gilt: Ein transparenter, auch wenn unvollständiger PCF ist wertvoller als gar keine Datenbasis. Die Ergebnisse sollten als dynamisch verstanden werden, die sich mit verbesserter Datengrundlage weiterentwickeln.
Berechnung – PCF-Praxibeispiel
Jede Aktivität wird einzeln mit ihrem Emissionsfaktor multipliziert. Formel: PCF = Σ (Aktivität × Emissionsfaktor)
Category
Aktivität
×
Emissionsfaktor
=
Ergebnis
Rohstoffe
Stahl – 4 kg
×
2 kg CO₂e / kg
=
—
Rohstoffe
Kunststoff – 1 kg
×
5 kg CO₂e / kg
=
—
Produktionsmittel
Öl zum Wenden – 0,5 kg
×
1 kg CO₂e / kg
=
—
Produktionsmittel
Schleiföl – 0,1 kg
×
2 kg CO₂e / kg
=
—
Energie
Elektrizität – 10 kWh
×
0,8 kg CO₂e / kWh
=
—
Energie
Erdgas – 8 kWh
×
0,2 kg CO₂e / kWh
=
—
Transport
LKW – 120 kgkm
×
0,2 kg CO₂e / kgkm
=
—
Transport
Frachtschiff – 2.500 kgkm
×
0,1 kg CO₂e / kgkm
=
—
Gesamt
Σ PCF
=
—
Hinweis: Simplifizierte Darstellung.
Praxis-Tipps für Unternehmen
Damit die Erstellung eines PCF gelingt, helfen pragmatische Schritte:
Scope & Use-Case klären: Definieren, ob es um interne Optimierung, externe Kommunikation oder regulatorisches Reporting geht.
Hotspot-Analyse: Zunächst ein Screening mit Sekundärdaten durchführen, um die größten Emissionstreiber zu identifizieren.
Primärdaten gezielt einfordern: Vor allem bei Lieferanten, die besonders emissionsintensive Materialien liefern.
Standards nutzen: Orientierung an ISO 14067, GHG Protocol Product Standard und EU-PEF sicherstellen.